Von: Rechtsanwalt Oliver Hattig
Bietet ein Bieter nicht das an, was der Auftraggeber ausschreibt, sondern weicht das Angebot von den Vorgaben der Vergabeunterlagen ab, ist es zwingend auszuschließen. Eine generalklauselartige Versicherung des Bieters, wonach "das Angebot alle Anforderungen erfüllt, die in den Vergabeunterlagen und der Bekanntmachung enthalten sind", kann die Abweichung von den Vergabeunterlagen nicht "heilen". Das hat die Vergabekammer des Bundes (VK Bund) im Beschluss vom 4.3.2024 (VK 1-16/24) klargestellt.
Streitfall: Änderung der Vergabeunterlagen
Im konkreten Fall schrieb der Auftraggeber die Beschaffung eines so genannten HPC-Clusters im offenen Verfahren aus. Im Angebot musste ein Servicevertrag enthalten sein. Das Leistungsverzeichnis enthielt insoweit u.a. folgende Anforderung: "Es muss eine Reaktionszeit innerhalb von 24 Stunden, mit deutschsprachigen Ansprechpartnern und Möglichkeit eines Vor-Ort-Services bei Bedarf an 5 Tagen (Montag-Freitag, zwischen 9:00-17:00 Uhr) gegeben sein. Ersatzteile für defekte Plug & Play Komponenten (während des Betriebs bzw. ohne Ausbau des Servers austauschbare Komponenten) sollen als Vorab-Austausch geliefert werden und werden vom Auftraggeber selbst eingebaut / ausgetauscht." Die spätere Antragstellerin gab ein Angebot ab. In ihrem Angebot führte sie zu dem von ihr angebotenen Vor-Ort-Services aus: „Defekte Komponenten werden innerhalb der Garantiezeit zeitnah und kostenfrei durch Vorabaustausch der Teile ausgetauscht. Im Störungsfall ist ein kostenfreier deutschsprachiger telefonischer Service durch qualifizierte Mitarbeiter innerhalb von 24 Stunden (Montag bis Freitag 9:00-17:00 Uhr) verfügbar." Zudem enthielt das Angebot der Antragstellerin an anderer Stelle den Hinweis, dass ihr Angebot alle Anforderungen, welche in den Vergabeunterlagen und der Bekanntmachung enthalten seien, erfülle. Der Auftraggeber teilte der Antragstellerin mit, dass ihr Angebot nicht das wirtschaftlichste sei und der Auftrag an die spätere Beigeladene vergeben werden solle. Die Antragstellerin rügte dies und strengte ein Nachprüfungsverfahren an. Der Auftraggeber erklärte den Ausschluss des Angebots der Antragstellerin, da diese nicht die Anforderungen des Leistungsverzeichnisses erfülle, weil sie keinen Vor-Ort-Service, sondern nur einen telefonischen Service angeboten habe. Der angebotene Service sei inhaltlich unzureichend.
„Die konkret zu erfüllende vertragliche Verpflichtung verdrängt eine allgemeine Auffangklausel, wonach das Angebot sämtliche Anforderungen erfüllt!“
Der Nachprüfungsantrag blieb ohne Erfolg. Der Auftraggeber habe das Angebot der Antragstellerin zu Recht wegen darin enthaltener Änderungen an den Vergabeunterlagen ausgeschlossen, entschied die Kammer. Ein Angebot muss gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 der Vergabeverordnung (VgV) den vom öffentlichen Auftraggeber ausgeschriebenen Vorgaben entsprechen. Eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen liege vor, wenn der Bieter nicht das anbiete, was der öffentliche Auftraggeber ausschreibe, sondern von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abweiche. Um eine solche Abweichung feststellen zu können, seien die Anforderungen der Vergabeunterlagen und der Inhalt des Angebots miteinander zu vergleichen. Ob das Angebot eines Bieters von den Vertragsunterlagen abweiche und diese damit ändere, sei durch Auslegung zu ermitteln, wobei ein objektiver Maßstab anzulegen sei. Maßgeblich sei, wie der abstrakt angesprochene Empfängerkreis die Leistungsbeschreibung verstehen müsse. Eine an diesen Maßstäben orientierte Auslegung der Vergabeunterlagen ergebe hier, dass der Auftraggeber „einen Vor-Ort-Service bei Bedarf an 5 Tagen (Montag bis Freitag, zwischen 9:00-17:00 Uhr) mit einer Reaktionszeit innerhalb von 24 Stunden, mit deutschsprachigen Ansprechpartnern, gefordert habe. Daneben sollten Ersatzteile für defekte, während des Betriebs beziehungsweise ohne Ausbau des Servers austauschbare "Plug & Play Komponenten", die vom Auftraggeber selbst eingebaut/ ausgetauscht werden, als Vorab-Austausch geliefert werden. Letztere seien mithin aus Sicht eines verständigen Bieters als "Vorrat" vorab vor Ort zu liefern. Das Angebot der Antragstellerin weiche hiervon ab. Die Anforderungen an den Vor-Ort-Service erfülle es nicht, weil der Austausch lediglich "zeitnah" angeboten werde. Gefordert sei jedoch eine Reaktionszeit innerhalb von 24 Stunden. Daran ändere auch die generalklauselartige Versicherung der Antragstellerin, wonach ihr Angebot alle Anforderungen der Ausschreibung erfülle, nichts. Diese könne die konkrete Darstellung der angebotenen Leistung nicht „heilen“. Die konkrete vertragliche Verpflichtung verdränge eine allgemeine Auffangklausel. Das Angebot sei auch Aufklärung nicht zugänglich. Denn eine Zusicherung durch die Antragstellerin, dass doch ein anforderungskonformer Vor-Ort-Service durchgeführt würde, würde eine nachträgliche, nicht statthafte Änderung ihres Angebotes darstellen, so die Kammer.