VK Lüneburg: Auftraggeber muss Referenzangaben der Bieter überprüfen und dies dokumentieren!

 

Von Rechtsanwalt Oliver Hattig

 

Newcomern, die noch nicht drei abgeschlossene Geschäftsjahre vorweisen können, darf nicht allein deshalb die Eignung abgesprochen werden. Werden in der Bekanntmachung Referenzen über "vergleichbare" Aufträge gefordert, darf der Auftraggeber bei der Bewertung der Referenzen keinen zu engen Maßstab anlegen. Er ist aber gehalten, den Referenzangaben bei jedem Bieter zumindest teilweise nachzugehen, sie z. B. durch telefonische Nachfrage bei den Referenzgebern zu überprüfen. In der Vergabeakte ist zu dokumentieren, ob, wann, mit welchem Inhalt und mit welchem Ergebnis der Auftraggeber Kontakt zum Referenzgeber aufgenommen und sich mit diesem über die Art und Weise des dortigen Auftrags und der dortigen Auftragserledigung ausgetauscht hat. Das hat die Vergabekammer (VK) Lüneburg im Beschluss vom 18.5.2020 (VgK-06/2020) entschieden.

 

In dem konkreten Fall schrieb der Auftraggeber Leistungen zur Errichtung eines passiven Breitbandnetzes im offenen Verfahren aus. Zum Nachweis der Eignung forderte er u.a. Angaben zum "vergleichbaren Umfang in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren", wobei ein entsprechender Umsatz als Mindestanforderung gefordert wurde sowie eine "Eigenerklärung über einschlägige Referenzen (Anzahl 1 Referenz) der letzten 5 Jahre". Die Vergleichbarkeit der Referenz sollte u. a. anhand des Kriteriums "Art der Leistung" bewertet werden. Die spätere Antragstellerin benannte mit ihrem Angebot zwei Referenzen. Der Auftraggeber schloss das Angebot der Antragstellerin, die er als "Newcomerin" einstufte, aus, weil begründete Zweifel im Hinblick auf deren Leistungsfähigkeit hinsichtlich des geforderten Mindestumsatzes bestünden. Die Antragstellerin rügte ihren Ausschluss und stellte, nachdem der Auftraggeber der Rüge nicht abgeholfen hatte, einen Nachprüfungsantrag. Nach Akteneinsicht beanstandete sie u.a., dass in der Vergabeakte nicht dokumentiert sei, dass der Auftraggeber tatsächlich Rücksprache bei den Referenzgebern genommen habe.

 

"Newcomern darf der Marktzutritt nicht ohne weiteres verwehrt werden"

 

Mit Erfolg. Die in der Vergabeakte dokumentierte Prüfung der Eignung der Antragstellerin trage nicht die Entscheidung des Auftraggebers, das Angebot nicht weiter zu berücksichtigen, stellt die Vergabekammer fest. Sie genüge weder den Anforderungen des § 16 b EU VOB/A 2019 noch den Anforderungen an die Dokumentation des Vergabeverfahrens gem. § 20 EU VOB/A 2019, § 8 VgV. Dies gelte sowohl im Hinblick auf die Umsatzangaben als auch für die Überprüfung und Bewertung der von der Antragstellerin mit dem Angebot benannten Referenzleistungen. Der Auftraggeber sei nicht berechtigt gewesen, das Angebot der Antragstellerin allein bereits deshalb auszuschließen, weil diese ihre Geschäftstätigkeit erst 2018 begonnen habe und daher nicht den geforderten Umsatz von drei Geschäftsjahren angeben konnte. Newcomern dürfe der Marktzutritt nicht vornherein verwehrt werden - es sei denn, der Auftraggeber könne dies mit besonderen Anforderungen des Auftragsgegenstands begründen. Eine derartige Begründung enthalte die Dokumentation jedoch nicht.

 

"Fordert der Auftraggeber nur eine einzige Referenz ist es erforderlich und dem Auftraggeber auch zuzumuten, diese Referenz mit der nötigen Tiefe zu überprüfen"

 

Was die Bewertung der Vergleichbarkeit einer Referenz angehe, stehe dem Auftraggeber ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Referenzen müssten nicht mit dem Auftragsgegenstand identisch sein. Es genüge, wenn die Referenzleistungen dem zu vergebenden Auftrag nahekommen und einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für den zu vergebenden Auftrag ermöglichen. Werden in der Bekanntmachung Referenzen über "vergleichbare" Aufträge gefordert, dürfe der Auftraggeber bei der Bewertung der Referenzen keinen zu engen Maßstab anlegen. Die Antragstellerin habe hier eine Referenz vorgelegt, die nicht nur vom Auftragsgegenstand an sich, sondern auch vom Auftragsvolumen zur ausgeschriebenen Leistung passe. Es sei zwar allgemein zulässig, dass der Auftraggeber nur eine Referenz verlangt habe; diese erlange dann aber auch besonderes Gewicht für die Eignungsprüfung. Es sei daher erforderlich und dem Auftraggeber auch zuzumuten, diese Referenz mit der nötigen Tiefe zu überprüfen und mit dem Referenzgeber zu erörtern und dann zu entscheiden, ob der Referenzauftrag die ausgeschriebenen Leistungen abdecke und die Eignung des Bieters bejaht werden könne. Dieser Überprüfungs- und Wertungsprozess müsse in genügender Weise vor der Ausschlussentscheidung dokumentiert werden. In der Vergabeakte sei hier jedoch nicht enthalten, so die Kammer, ob, wann, mit welchem Inhalt und mit welchem Ergebnis der Auftraggeber Kontakt zum Referenzauftraggeber aufgenommen und sich mit diesem über die Art und Weise der Auftragserledigung durch den Bieter ausgetauscht habe.

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